Wann steht mir ein Trauerschmerzensgeld zu?
Der Tod oder eine schwere Verletzung eines nahen Angehörigen ist mit starken seelischen Schmerzen für die Hinterbliebenen verbunden. Wurde der Tod eines Menschen von einer anderen Person verschuldet, kann den Hinterbliebenen in gewissen Fällen ein Trauerschmerzensgeld zustehen.
Um Schmerzensgeldansprüche der Angehörigen gegenüber dem Schädiger geltend zu machen, wird von der Rechtsprechung zwischen dem Schockschaden und dem Trauerschaden unterschieden.
Was ist ein Schockschaden?
Ein Schockschaden steht nahen Angehörigen zu, wenn diese durch die Tötung eines Menschen, einen Schock oder eine sonstige als Krankheit zu bewertende Störung oder Beeinträchtigung erlitten haben. Ein Schockschaden kann einem Angehörigen auch bei einer schweren Körperverletzung, zB Verstümmelung eines ihm nahestehenden Menschen, zustehen. Der Oberste Gerichtshof hat auch in einem Fall von sexuellen Missbrauch einer Minderjährigen, einem nahen Angehörigen ein Schmerzensgeld für den Schockschaden zugesprochen (OGH 9 Ob 1/19s). Als nahe Angehörige kommen der Ehepartner bzw. der Lebensgefährte, die Kinder und die Eltern in Betracht.
Wann steht ein Schmerzensgeld zu?
Sofern die schwere Verletzung oder der Tod des Angehörigen schuldhaft von einer Person verursacht wurde und dadurch dem hinterbliebenen nahen Angehörigen ein krankheitswertiger seelischer Schmerz zugefügt wurde, gebührt demjenigen für diesen krankheitswertigen Schmerz, Schmerzensgeld. Dies, da nach ständiger Rechtsprechung der Angehörige durch den Schock über den Verlust eines Menschen, selbst eine Körperverletzung erlitten hat.
Bei einem Schockschaden handelt es sich um eine psychische Beeinträchtigung mit Krankheitswert, die durch den plötzlichen Verlust oder durch eine schwere Verletzung eines geliebten Menschen bei den nahen Angehörigen auftritt. Entscheidend ist, ob die psychische Beeinträchtigung behandlungsbedürftig oder wenigstens ärztlich diagnostizierbar und damit medizinisch fassbar ist (OGH 2 Ob 120/02i). Ersatzfähige Schockzustände sind beispielsweise behandlungsbedürftige Depressionen, eine posttraumatische Belastungsstörung, Schlaflosigkeit durch Angstzustände und Albträume, völlige Schwunglosigkeit, Erschöpfungszustände und Vereinsamung, Hoffnungslosigkeit, traurige Verstimmung oder Antriebsstörungen.
Der Oberste Gerichtshof hat dies wir folgt begründet:
„Nach der neueren Rechtsprechung gebührt nahen Angehörigen eines Getöteten für den ihnen verursachten „Schockschaden“ mit Krankheitswert ebenfalls Schmerzengeld, weil diese „Dritten“ durch das Erleiden eines Nervenschadens in ihrem absolut geschützten Recht auf körperliche Unversehrtheit beeinträchtigt und als unmittelbar Geschädigte anzusehen sind. (OGH 2 Ob 15/07f)“
Der Anspruch auf Schockschaden steht unabhängig davon zu, ob die nahen Angehörigen die schwere Verletzung oder den Tod selbst miterlebt haben und dadurch psychisch erkrankt sind oder erst später durch die Nachricht über die Verletzung oder den Tod des Angehörigen eine psychische Erkrankung entwickelt haben.
Für die Geltendmachung des Anspruchs aus dem Schockschaden ist es ausreichend, wenn der Schädiger leicht fahrlässig gehandelt hat bzw. die Schädigung im Zusammenhang mit der Gefährdungshaftung aufgetreten ist. Die Gefährdungshaftung kann beispielsweise bei einem unverschuldeten Autounfall zur Anwendung kommen. Qualifiziertes Verschulden, somit Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit wird von der Rechtsprechung für den Zuspruch eines Schockschadens nicht verlangt.
Schockschaden bei Ärztepfusch?
Insbesondere wenn eine Person durch eine ärztliche Fehlbehandlung stirbt, stehen Hinterbliebenen Schadenersatzansprüche gegen den behandelnden Arzt oder das Krankenhaus zu. Wann Ihnen als Patient nach einem ärztlichen Kunstfehler oder einem Behandlungsfehler ein Schmerzensgeld zusteht, finden Sie hier
Der Oberste Gerichtshof begründet den Zuspruch bei einem Ärztepfusch wie folgt:
„Im Falle eines ärztlichen Kunstfehlers mit der Folge des Todes des Patienten ist auch der in aufrechter Lebensgemeinschaft mit dem Patienten lebende Ehegatte aus dem Behandlungsvertrag derart geschützt, dass er für einen bei ihm eingetretenen Trauerschaden mit Krankheitswert vom Vertragspartner des Getöteten Ersatz wegen Verletzung vertraglicher Schutz- und Sorgfaltspflichten begehren kann. (OGH 9 Ob 83/09k).“
Neben dem Schockschaden kann den Hinterbliebenen auch Ersatz der Pflegekosten, Kosten für Heilbehelfe und Verdienstentgang zustehen.
Wie viel Schmerzensgeld steht mir zu?
Einer Mutter, deren 12-jährige Tochter durch einen Verkehrsunfall getötet wurde, wurden vom Gericht € 20.000,00 zugesprochen, nachdem sie eine „abnorme Trauerreaktion“ entwickelt hatte. Sie hatte zwar den Unfall nicht selbst miterlebt, aber auslösend für ihre psychische Erkrankung war die Todesnachricht selbst. Es kam zu einer posttraumatischen Belastungsstörung und Depressionen. (OGH 2Ob99/08k). In seiner Entscheidung 2 Ob 58/07d hat der Oberste Gerichtshof den minderjährigen Kindern € 7.500,00 und € 9.600,00 an Schmerzensgeld für Schockschäden zugesprochen, da sie mit ansehen mussten, wie ein Fahrzeug in ihren Vater fuhr und ihn schwer verletzte.
Der höchste bisher zugesprochene Schockschaden in Österreich betrug € 65.000,00 für einen Familienvater der durch einen Verkehrsunfall mit einem Sattelschlepper sowohl seine Ehefrau als auch seine drei Kinder verloren hatte und dadurch massive psychische Beeinträchtigungen erlitt (OGH 2 Ob 186/03x). Der Kläger war nicht mehr arbeitsfähig.
Wann steht mir ein Trauerschmerzensgeld zu?
Beim Trauerschmerzensgeld geht es um den Ersatz des Seelenschmerzes über den Verlust naher Angehöriger, der zu keiner eigenen Gesundheitsschädigung im Sinne des § 1325 ABGB geführt hat (OGH 2 Ob 84/01v). Die Rechtsprechung spricht somit nahen Angehörigen bei „gewöhnlicher“ Trauer, die nicht krankheitswertig sein muss, also keine klassische behandlungsbedürftige Gesundheitsbeeinträchtigung darstellt, ebenfalls Ersatz für ihre Trauerschmerzen (seelische Schmerzen) zu. Ein Trauerschmerzensgeld ist dann zuzusprechen, wenn eine grob schuldhaft verursachte Tötung bei einem Angehörigen, der mit dem Getöteten in intensiver Gefühlsgemeinschaft verbunden war, einen Trauerschmerz ausgelöst hat.
Für den Ersatz des Trauerschadens ist es allerdings notwendig, dass die Person, die den Tod eines Menschen verursacht hat, ein Verschulden wegen Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit trifft. Ein Verschulden wegen leichter Fahrlässigkeit reicht für die Geltendmachung eines Trauerschadens nicht aus.
Ob Angehörigen ein Trauerschmerzensgeld zusteht und in welcher Höhe, richtet sich danach, wie eng verbunden die trauernde Person mit dem Verstorbenen war. Je intensiver die familiäre Bindung und je näher der Verwandtschaftsgrad zu dem Verstorbenen war, desto eher steht ein Trauerschmerzensgeld zu. Zusätzlich hängt die Bewertung von weiteren Faktoren wie beispielsweise vom Alter des Verstorbenen ab und ob man mit diesem in einem gemeinsamen Haushalt gewohnt hat. Hat man nicht in einem gemeinsamen Haushalt zusammengelebt, muss das Bestehen einer intensiven Gefühlsgemeinschaft, die ähnlich einer Kernfamilie entspricht, nachgewiesen werden.
Wie viel Trauerschmerzensgeld kann mir zustehen?
Der Oberste Gerichtshof folgt bei der Bemessung des Trauerschmerzensgeldes einem schematischen Ansatz, der sich an den familiären Beziehungen zwischen dem hinterbliebenen Angehörigen und dem Unfallopfer orientiert. Neben dem Verwandtschaftsgrad kommt es dabei insbesondere auf Aspekte wie die Intensität der Gefühlsgemeinschaft, das Alter des Angehörigen und des Unfallopfers sowie das Bestehen einer Haushaltsgemeinschaft an (vgl etwa OGH 2 Ob 141/04f; OGH 2 Ob 135/07b; OGH 2 Ob 39/09p).
In der Entscheidung 2 Ob 141/04f sprach der OGH einem 40-jährigen Sohn ein Trauerschmerzensgeld aufgrund der erlittenen Trauerschmerzen in Höhe von € 13.000,00 zu, nachdem seine 61-jährige Mutter bei einem Verkehrsunfall getötet wurde. Sohn und Mutter lebten zwar nicht im gemeinsamen Haushalt, jedoch wohnte die Mutter in einem Haus auf der gegenüberliegenden Straßenseite und hatten sie engen familiären Kontakt.
In Österreich beläuft sich der bisher höchste zugesprochene Trauerschaden auf € 20.000,00. Dieser Betrag wurde jedem Elternteil eines bei einem Autounfall getöteten sechsjährigen Mädchen zugesprochen. (OGH 2 Ob 263/06z). In einer Entscheidung aus dem Jahr 2017, hat der Oberste Gerichtshof in einem Fall, in welchem Kinder in einem Krankenhaus vertauscht wurden, den Eltern und dem Kind, jeweils ein Trauerschmerzensgeld von € 20.000,00 zugesprochen ( OGH 4 Ob 208/17t).
Warum soll ich mich an einen Rechtsanwalt wenden?
Als Rechtsanwalt ist mir bewusst, dass kein Geld dieser Welt den Verlust eines geliebten Menschen ersetzen kann. Dennoch ist es wichtig seine berechtigten Ansprüche gegenüber dem Schadenverursacher durchzusetzen, um zumindest eine kleine finanzielle Absicherung zu erhalten. Häufig ist auch die Geltendmachung von Schock- oder Trauerschmerzensgeld die einzige Möglichkeit, dass man überhaupt erfährt, was konkret zum Tode des nahen Angehörigen geführt hat. Dies aufgrund dessen, da in einem Prozess dann häufig ein medizinischer Sachverständiger bestellt wird, der die Akten prüft. Dies ist insbesondere bei Todesfällen in einem Krankenhaus der Fall.
Mein Team und ich unterstützen Sie gerne dabei, Ihre Ansprüche gerichtlich und auch außergerichtlich gerichtlich geltend zu machen. Sofern Sie über eine Rechtschutzversicherung verfügen, klären wir auch gerne im Vorhinein mit dieser für Sie ab, ob die Prozesskosten von der Versicherung übernommen werden.
Stand: August 2022
Artikel teilen:
Dieser Artikel soll lediglich eine kurze Übersicht darstellen und ist ohne Gewähr. Sofern Sie weitere Fragen haben, können Sie mich gerne jederzeit während meiner Kanzleizeiten telefonisch kontaktieren.
Mag. Sascha Flatz, Rechtsanwalt und Verteidiger in Strafsachen in 1010 Wien.
- Mail: office@rechtsanwalt-flatz.at
- Tel: +43 1 402 6467
- Web: www.rechtsanwalt-flatz.at