Was ist eine Diversion in Österreich?

Diversion

Die Diversion ist eine alternative Möglichkeit, ein Strafverfahren in Österreich ohne Verurteilung des Beschuldigten zu beenden. Sie stellt eine flexible Reaktionsmöglichkeit des Staates dar, um Straftaten ohne formellen Schuldspruch zu verfolgen. In diesem Artikel erfahren Sie alles über die Diversion, ihre Voraussetzungen, Maßnahmen und Vorteile.

Die Diversion:

Gemäß § 198 Strafprozessordnung (StPO) ist die Diversion die Möglichkeit der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts, bei einem geklärten Sachverhalt auf die Durchführung eines förmlichen Strafverfahrens zu verzichten. Stattdessen schlägt die Staatsanwaltschaft oder das Gericht dem Beschuldigten eine belastende Maßnahme vor, wie z. B. eine Geldbuße oder gemeinnützige Arbeit. Ein Geständnis ist für die Diversion zwar nicht erforderlich, allerdings muss der Beschuldigte zumindest eingeschränkt die Verantwortung für die Tat übernehmen.

Damit eine Diversion angewendet werden kann, müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:

  1. Geklärter Sachverhalt: Es darf keine Unklarheit über den Tatverlauf geben.
  2. Keine schwere Schuld: Die Schuld des Beschuldigten darf gemäß § 32 StGB nicht als schwerwiegend eingestuft werden.
  3. Maximale Strafandrohung von fünf Jahren Freiheitsstrafe: Die Tat darf nicht mit einer höheren Strafe bedroht sein und keinen Todesfall verursacht haben.
  4. Keine Notwendigkeit zur Bestrafung: Es darf keine Rückfallgefahr bestehen, und eine Bestrafung muss entbehrlich sein, um andere Straftaten zu verhindern (General- und Spezialprävention).

Besonderheit: Selbst bei fahrlässiger Tötung eines Angehörigen kann eine Diversion erfolgen, wenn der Beschuldigte durch den Verlust bereits eine erhebliche psychische Belastung erfahren hat.

Wann liegt eine schwere Schuld vor?

Eine schwere Schuld liegt vor, wenn der Handlungs- und Gesinnungsunwert der Tat so außergewöhnlich ist, dass er in einer Gesamtbewertung als besonders verwerflich einzustufen ist (RS0116021). Dies betrifft insbesondere:

  • Fälle mit hohem Schaden oder großer krimineller Energie.
  • Situationen, in denen der Beschuldigte wiederholt gegen gesetzliche Regelungen verstoßen hat.

Welche Diversionsmaßnahmen gibt es?

Die Diversion bietet verschiedene Maßnahmen, die je nach Fall einzeln oder kombiniert angewendet werden können:

  1. Geldbuße (§ 200 StPO): Zahlung eines bestimmten Betrags an die Staatskasse oder das Opfer.
  2. Gemeinnützige Leistungen (§ 201 StPO): Arbeit in sozialen oder öffentlichen Einrichtungen.
  3. Probezeit (§ 203 StPO): Der Beschuldigte wird für eine festgelegte Zeit beobachtet, ggf. mit Unterstützung eines Bewährungshelfers.
  4. Tatausgleich (§ 204 StPO): Wiedergutmachung des Schadens durch Einigung mit dem Opfer, meist begleitet durch Sozialarbeiter.

Der außergerichtliche Tatausgleich

Ein zentraler Bestandteil der Diversion ist der außergerichtliche Tatausgleich, bei dem Sozialarbeiter zwischen Täter und Opfer vermitteln. Ziel ist es, den Schaden wiedergutzumachen und das zukünftige Verhalten des Täters positiv zu beeinflussen.

  • Rolle des Opfers: Das Opfer muss der Teilnahme zustimmen, es sei denn, der Täter war zum Tatzeitpunkt unter 21 Jahre alt.
  • Vereinbarungen: Es können Schadensersatzzahlungen oder andere Ausgleichsmaßnahmen vereinbart werden.

Vorteile der Diversion

Die Diversion bietet sowohl dem Beschuldigten als auch dem Strafjustizsystem zahlreiche Vorteile:

  1. Kein Schuldspruch und keine Vorstrafe: Das Verfahren wird ohne Urteil abgeschlossen, und der Beschuldigte bleibt formell unbescholten.
  2. Kein Eintrag im Strafregister: Eine Diversion wird nur intern bei der Justiz für zehn Jahre registriert und ist nicht öffentlich einsehbar.
  3. Schneller Abschluss: Die Diversion spart Zeit und vermeidet ein langwieriges Strafverfahren.
  4. Individuelle Maßnahmen: Die Diversion ermöglicht flexible Lösungen, die auf den Einzelfall zugeschnitten sind.
  5. Chancen auf Wiedergutmachung: Der Beschuldigte kann Verantwortung übernehmen und den Schaden wiedergutmachen.

Einschränkungen und Besonderheiten

Nicht in allen Fällen ist eine Diversion möglich. Einige Ausnahmen umfassen:

  • Missbrauch der Amtsgewalt (§ 302 Abs. 1 StGB): Eine Diversion ist nur möglich, wenn keine oder nur geringfügige Schäden entstanden sind.
  • Sexualdelikte: Eine Diversion ist nur zulässig, wenn die Strafandrohung für das Delikt nicht mehr als drei Jahre Freiheitsstrafe beträgt.

Fortführung eines diversionellen Verfahrens

Ein bereits abgeschlossener diversioneller Fall kann unter folgenden Bedingungen wieder aufgenommen werden (§ 205 StPO):

  • Nichteinhaltung der Auflagen: Der Beschuldigte erfüllt die vereinbarten Bedingungen nicht, wie z. B. die Zahlung der Geldbuße oder das Erbringen gemeinnütziger Leistungen.
  • Neue Straftaten: Vor Ablauf der Probezeit wird der Beschuldigte erneut straffällig.

In solchen Fällen hebt die Staatsanwaltschaft die ursprünglich vereinbarten Maßnahmen auf und rechnet bereits erbrachte Leistungen auf eine neue Strafe an.

Beispiel: Diversion bei Sachbeschädigung

Ein Jugendlicher beschädigt mutwillig eine Bushaltestelle. Die Staatsanwaltschaft bietet ihm eine Diversion an: Er soll € 300,00 an die Gemeinde zahlen und 20 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten. Nach Erfüllung der Auflagen wird das Verfahren eingestellt, und der Jugendliche bleibt unbescholten.

Fazit: Diversion als flexible Lösung im Strafverfahren

Die Diversion ist ein wichtiger Bestandteil des Strafrechts in Österreich, der es ermöglicht, Verfahren effizient und ohne formelle Verurteilung abzuschließen. Sie bietet Beschuldigten die Möglichkeit, Verantwortung zu übernehmen, den Schaden wiedergutzumachen und formell unbescholten zu bleiben.

Sollten Sie ein diversionelles Angebot erhalten oder unsicher sein, ob eine Diversion möglich ist, lassen Sie sich unbedingt rechtlich beraten. Wir als Rechtsanwälte und Strafverteidiger unterstützen Sie dabei, die bestmögliche Lösung für Ihren Fall zu finden und können bereits vor einer Hauptverhandlung mit der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht besprechen ob und unter welchen Voraussetzungen eine Diversion möglich ist.

Artikel teilen:

Dieser Artikel soll lediglich eine kurze Übersicht darstellen und ist ohne Gewähr. Sofern Sie weitere Fragen haben, können Sie mich gerne jederzeit während meiner Kanzleizeiten telefonisch kontaktieren.

Mag. Sascha Flatz, Rechtsanwalt und Verteidiger in Strafsachen in 1010 Wien.

Rechtsgrundlagen:

§ 198 StPO 

CategoryAllgemein

© Rechtsanwalt 1010 Wien, Mag Sascha Flatz | Datenschutz | Allgemeine Auftragsbedingungen | Impressum

Erfahrungen & Bewertungen zu Sascha Flatz
Rechtsanwalt Mag Sascha Flatz hat 4,93 von 5 Sternen 338 Bewertungen auf ProvenExpert.com