Welche Strafe droht bei Widerstand gegen die Staatsgewalt (§269 StGB)?
Wenn man in eine tätliche Auseinandersetzung verwickelt ist, oder auf einer Demonstration teilnimmt, kann man ganz schnell, auch unverschuldet, des Deliktes des Widerstand gegen die Staatsgewalt angeklagt werden. Das Delikt und die Rechtsfolgen werden daher im Folgenden erklärt.
Was fällt unter das Delikt Widerstand gegen die Staatsgewalt in Österreich?
Gemäß § 269 Strafgesetzbuch (StGB) macht sich des Deliktes des Widerstand gegen die Staatsgewalt, schuldig, wer eine Person eine Behörde oder einen Beamten an einer Amtshandlung hindert (§ 269 Abs 1 StGB) oder zu einer Amtshandlung nötigt (§ 269 Abs 2 StGB), indem die Person dabei
- gegen den Beamten oder die Behörde Gewalt anwendet,
- dem Beamten bzw. der Behörde mit Gewalt droht oder
- den Beamten gefährlich bedroht.
Beim Tatbestand des Widerstand gegen die Staatsgewalt gemäß § 269 StGB handelt es sich um einen Sonderfall der Nötigung (§ 105 StGB). Die Angriffsmittel „Gewalt“ und „gefährliche Drohung“ sind daher ident mit jenen der Nötigung.
Für das Delikt Widerstand gegen die Staatsgewalt droht eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren, im Fall einer schweren Nötigung (§ 106 StGB) jedoch eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.
Was ist eine Behörde und ein Beamter im Sinne des Deliktes Widerstand gegen die Staatsgewalt?
Als Behörde sind neben den Verwaltungsbehörden, wie Magistrate, Bezirkshauptmannschaften, auch die Gerichte zu verstehen. Da eine Behörde lediglich durch ihre Organwalter handeln kann, ist die Nötigung der Behörde als Auffangklausel für jene Fälle zu verstehen, in denen ein einzelner Beamter nicht gleichzeitig der Adressat des Angriffsmittels als auch der Genötigte ist.
Der Begriff des Beamten ist in § 74 Abs 1 Z 4 StGB als Legaldefinition bestimmt. Wesentlich ist, dass dieser als Organ des Bundes, eines Landes, eines Gemeindeverbandes, einer Gemeinde oder einer anderen Person des öffentlichen Rechts – ausgenommen einer Kirche oder einer Religionsgemeinschaft – mit hoheitlichen Aufgaben betraut ist. Als Beamte gelten somit Richter, Staatsanwälte, Exekutivbeamte (Polizisten), Justizwachebeamte, Organe der öffentlichen Aufsicht und Bürgermeister, um nur einige demonstrativ aufzuzählen.
Was ist eine Amtshandlung gemäß § 269 StGB?
Bei einer Amtshandlung tritt ein Beamter als Organ der Hoheitsverwaltung oder der Gerichtsbarkeit auf und übt Befehls- oder Zwangsgewalt aus.
Unter Befehlsgewalt versteht man die Befugnis des Beamten zur Erteilung verbindlicher Aufträge, deren Nichtbefolgung hoheitsrechtlich sanktioniert ist, wie beispielsweise die Erlassung eines Urteils, Beschlusses oder Bescheids.
Unter Zwangsgewalt versteht man die Befugnis zur unmittelbaren Durchsetzung bestimmter Maßnahmen, wie einer Festnahme, Verhaftung, oder Beschlagnahme.
Es ist notwendig, dass der Beamte in Ausübung seiner Funktion als Organ der Hoheitsverwaltung oder der Gerichtsbarkeit auch nach außen hin auftritt und dies für die von der Maßnahme betroffene Person auch eindeutig erkennbar ist.
Was fällt unter Gewalt gemäß § 269 StGB?
Unter Gewalt versteht man die Anwendung nicht unerheblicher physischer Kraft zur Überwindung eines tatsächlichen oder auch nur erwarteten Widerstands. Es ist nicht erforderlich, dass die Gewaltausübung eine Körperverletzung nach sich zieht, und bedarf es auch keiner besonderen Erheblichkeit der Kraftanwendung. Es genügt, wenn die Krafteinwirkung geeignet ist, die Amtshandlung in irgendeiner Form zu behindern oder einen Beamten bzw. eine Behörde zu einer bestimmten Amtshandlung zu nötigen.
Als Gewalt werden beispielsweise nachfolgende Szenarien angesehen:
- Losreißen vom festhaltenden Beamten unter Aufbietung von einiger Körperkraft
- Umsichschlagen mit Händen und Füßen ist Gewalt gegen die eskortierenden Justizwachebeamten
- Losfahren mit einem PKW auf einen Beamten
- ungezieltes Umsichschlagen, wenn die Schläge entweder den Beamten treffen oder ihn von einer weiteren Annäherung abhalten
Was versteht man unter Drohung mit Gewalt gemäß § 269 StGB?
Eine Drohung ist die Ankündigung einer vom Willen des Drohenden abhängigen Zufügung eines Übels. Die von der Drohung umfasste Gewalt kann gegen Personen oder gegen Sachen gerichtet sein.
Was ist eine gefährliche Drohung?
Die gefährliche Drohung wird in § 74 Abs 1 Z 5 StGB definiert und stellt eine Drohung mit einer Verletzung an Körper, Freiheit, Ehre, Vermögen oder des höchstpersönlichen Lebensbereiches durch Zugänglichmachen, Bekanntgeben oder Veröffentlichen von Tatsachen oder Bildaufnahmen, dar. Diese Drohung muss geeignet sein, dem Bedrohten mit Rücksicht auf die Verhältnisse und seine persönliche Beschaffenheit oder die Wichtigkeit des angedrohten Übels, begründete Besorgnisse einzuflößen. Es macht zudem keinen Unterschied, ob das angedrohte Übel gegen den Bedrohten selbst, gegen dessen Angehörige oder gegen andere unter seinen Schutz gestellte oder ihm persönlich nahestehende Personen gerichtet ist. Mehr Informationen zur gefährlichen Drohung finden Sie hier.
Was ist eine schwere Nötigung?
Erfüllt die Tathandlung die Voraussetzungen einer schweren Nötigung (§ 106 StGB), droht eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Eine schwere Nötigung begeht der Täter, wenn er
- mit dem Tod, mit einer erheblichen Verstümmelung oder einer auffallenden Verunstaltung, mit einer Entführung, mit einer Brandstiftung, mit einer Gefährdung durch Kernenergie, ionisierende Strahlen oder Sprengmittel oder mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz oder gesellschaftlichen Stellung droht,
- die genötigte oder eine andere Person, gegen die sich die Gewalt oder gefährliche Drohung richtet, durch diese Mittel längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt oder
- die genötigte Person zur Prostitution oder zur Mitwirkung an einer pornographischen Darbietung (§ 215a Abs. 3 StGB) oder sonst zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung veranlasst, die besonders wichtige Interessen der genötigten oder einer dritten Person verletzt.
Am häufigsten werden Beamte in der Praxis mit dem Tod bedroht. Eine Todesdrohung kann auch durch die Abgabe eines Schusses in Richtung eines Beamten verwirklicht werden, der nach der Täterintention diesen nicht treffen, sondern ihm (nur) begründete Besorgnis in Bezug auf eine bevorstehende Tötung einflößen soll.
Wann liegt ein Versuch des Widerstandes gegen die Staatsgewalt vor und wann wurde das Delikt vollendet?
Ob noch ein Versuch oder bereits eine Vollendung des Deliktes vorliegt, richtet sich danach, ob das „Hindern“ der Behörde oder des Beamten an einer Amtshandlung als „Behindern“ oder als „Verhindern“ zu verstehen ist. Der Oberste Gerichtshof ist zu dieser Frage zum Ergebnis gelangt (RS0090707), dass bei der Festnahme und Eskortierung der Erfolg dann eingetreten ist, wenn der Täter durch seinen Widerstand eine – zeitlich nicht nur völlig unbedeutende – Unterbrechung, nicht aber eine bloße Verzögerung oder Erschwerung der Amtshandlung erreicht hat.
Das entscheidende Kriterium für die Vollendung des Widerstands gegen die Staatsgewalt wird darin gesehen, ob die Amtshandlung vorzeitig abgebrochen oder in ihrem Ablauf ins Gewicht fallend unterbrochen worden ist. Wenn die Amtshandlung, beispielsweise Festnahme, nur verzögert wurde, liegt somit nur versuchter Widerstand gegen die Staatsgewalt vor.
Bei der Nötigung zu einer Amtshandlung gemäß § 269 Abs 2 StGB ist die Tat vollendet, sobald die Behörde oder der Beamte mit der Vornahme der Amtshandlung beginnt.
Wann mache ich mich nicht wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt strafbar?
Nicht zu bestrafen ist der Täter beim Hindern an einer Amtshandlung (§ 269 Abs 1 StGB), wenn die Behörde oder der Beamte zur Ausführung einer Amtshandlung ihrer Art nicht berechtigt ist oder die Amtshandlung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstößt.
Ein Beamter bzw. die Behörde ist zu einer Amtshandlung ihrer Art nach nicht berechtigt, wenn es sich hierbei um ein Aufgabengebiet handelt, welches nicht zu seinem Aufgabengebiet gehört. Das heißt, nur wenn ein Beamter (oder eine Behörde) zu der Amtshandlung ihrer Art nach überhaupt nicht berechtigt ist, entfällt die Strafbarkeit. Entscheidend ist nur die sachliche Berechtigung des Beamten zur betreffenden Amtshandlung, nicht aber dessen örtliche Zuständigkeit. Es spielt hierbei jedoch keine Rolle, wenn der Täter der Meinung ist, dass es sich um eine zu Unrecht an ihm vorgenommene Maßnahme handelt.
Sofern daher ein Beamter eine Person festnimmt, obwohl er dazu nicht berechtigt war, wäre ein Widerstand dagegen nicht strafbar. Zudem kann der Beamte sich des Missbrauch der Amtsgewalt (§ 302 StGB) und fahrlässige Verletzung der Freiheit der Person oder des Hausrechts nach § 303 StGB strafbar machen.
In der Praxis wird Widerstand gegen die Staatsgewalt sehr häufig gemeinsam mit einer schweren Körperverletzung angezeigt. Dies, da bei der Tatausführung des Widerstands gegen die Staatsgewalt fast immer auch zumindest eine versuchte Körperverletzung an einem Beamten vorgenommen wird. Eine Körperverletzung an einem Beamten, wird immer als schwere Körperverletzung angeklagt. Mehr zu dem Thema schwere Körperverletzung finden Sie hier.
Den Anweisungen der Polizei immer folgen!
Grundsätzlich sollten Sie immer den Anweisungen der Polizei folgen leisten und sich niemals gegen eine Amtshandlung, wie Festnahme, wehren. Dies auch, wenn Sie der Ansicht sind, dass der Polizist im Unrecht ist. Ob die Amtshandlung rechtmäßig war, kann man dann später durch Gerichte klären lassen. Dies durch eine Maßnahmenbeschwerde vor den Verwaltungsgerichten.
Fazit
Sofern Ermittlungen gegen Sie wegen gefährlicher Drohung eingeleitet worden sind, sollten Sie sich sofort an mich als Ihren Verteidiger in Strafsachen wenden und vorher keinesfalls ohne Rechtsanwalt eine Aussage machen. Wie Sie dem Artikel entnehmen können, sind die Strafandrohungen für dieses Delikt sehr hoch. Zudem wird meistens noch eine schwere Körperverletzung mitangeklagt, wenn ein Polizist verletzt wurde. Das kann dann noch erhebliche zivilrechtliche Folgen haben, sofern der Polizist verletzt wurde und dann in den Krankenstand geht. Dann müssen Sie dem Bund den Lohn des Polizisten sowie seine Behandlungskosten ersetzen.
Es kommt daher in der Praxis sehr darauf an, ob Sie erkennen konnten, dass die Person überhaupt als Beamter gehandelt hat. Vielleicht war dieser auch zu der Amtshandlung überhaupt nicht berechtigt. Zudem stellt sich immer die Frage, wurde die Amtshandlung tatsächlich unterbrochen oder nur verzögert. Bei einer Verzögerung liegt nur ein Versuch vor, der geringer bestraft wird. Ich werde daher vor Ihrer Aussage mit Ihnen den Sachverhalt genau prüfen und dann die weitere Verteidigungsstrategie festlegen.
Stand Januar 2024
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Dieser Artikel soll lediglich eine kurze Übersicht darstellen und ist ohne Gewähr. Sofern Sie weitere Fragen haben, können Sie uns gerne jederzeit während unserer Kanzleizeiten telefonisch kontaktieren. Weitere Hinweise zu strafrechtlichen Delikten finden Sie hier
Mag. Sascha Flatz, Ihr Rechtsanwalt für Strafsachen in 1010 Wien.
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Rechtsgrundlagen für die Strafe bei Widerstand gegen die Staatsgewalt: