
Welche Strafe droht in Österreich bei Nötigung?
Nötigung zählt zu den häufigsten Straftaten in Österreich. Besonders im familiären Umfeld tritt dieses Delikt oft auf, wobei sich viele Täter der hohen Strafandrohung nicht bewusst sind. Das österreichische Strafgesetzbuch (StGB) unterscheidet dabei zwischen einfacher Nötigung und schwerer Nötigung. Dieser Artikel erklärt, wann eine Nötigung vorliegt und welche Konsequenzen drohen.
Was ist Nötigung gemäß § 105 StGB vor?
Gemäß § 105 StGB liegt eine Nötigung vor, wenn eine Person mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung genötigt wird. Die Strafandrohung beträgt dabei bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder bis zu 720 Tagessätzen Geldstrafe.
Die Tat ist allerdings nicht strafbar, wenn die Anwendung von Gewalt oder Drohung nicht den guten Sitten widerspricht.
Was bedeutet Gewalt?
Der Begriff Gewalt wird gesetzlich nicht genau definiert. Laut Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs handelt es sich um jede körperliche Einwirkung, die geeignet ist, den Willen des Opfers zu beugen. Gewalt bedeutet jedenfalls eine physische Einwirkung auf den Körper eines Opfers. Die Krafteinwirkung auf den Körper muss darauf gerichtet sein, den Widerstand des Opfers zu brechen. Beispiele hierfür sind:
- Würgen, Schlagen, Fesseln, Wegstoßen oder
- die Krafteinwirkung durch ein Fahrzeug.
Wichtig: Die Gewalt muss nicht zwingend sichtbare Verletzungen hinterlassen, oder Schmerzen verursachen (RIS-Justiz RS0093639). Die Gewalt muss aber so erheblich sein, dass sie das Opfer in seinem Handlungswillen beeinträchtigt. Wird das Opfer dabei verletzt, erfüllt der Täter zusätzlich den Tatbestand der Körperverletzung gemäß § 83 StGB. Ob das Opfer die Gewalt tatsächlich wahrgenommen hat, ist für die rechtliche Bewertung irrelevant.
Was ist eine gefährliche Drohung?
Eine gefährliche Drohung liegt gemäß §§ 74 Abs 1 Zif 5 StGB vor, wenn eine Person damit bedroht wird, am Körper, in der Freiheit, der Ehre, im Vermögen oder im persönlichen Lebensbereich verletzt zu werden.
Die Drohung muss geeignet sein, dem Opfer begründete Furcht einzuflößen. Ob die bedrohte Person tatsächlich Angst empfindet, ist unerheblich. Der entscheidende Unterschied zur gefährlichen Drohung nach § 107 StGB besteht darin, dass bei einer Nötigung die Drohung dazu dient, das Opfer zu einer bestimmten Handlung, Duldung oder Unterlassung zu zwingen.
Wann liegt eine versuchte Nötigung vor?
Wann liegt eine schwere Nötigung vor?
Eine schwere Nötigung gemäß § 106 StGB begeht der Täter, wenn er
- mit dem Tod, einer erheblichen Verstümmelung, einer auffallenden Verunstaltung, Entführung, Brandstiftung, Gefährdung durch Kernenergie, oder Sprengmittel oder mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz oder ähnlichem droht,
- das Opfer langfristig in einen qualvollen Zustand versetzt, oder
- das Opfer zur Prostitution oder pornographischen Handlungen (§ 215a Abs. 3) zwingt
Die Strafandrohung beträgt hier sechs Monate bis fünf Jahre Freiheitsstrafe. Führt die Tat jedoch zum Selbstmord oder Selbstmordversuch des Opfers, beträgt die Strafandrohung ein bis zehn Jahre Freiheitsstrafe.
Mit einer Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren ist ebenso zu bestrafen, wer eine Nötigung zur Prostitution oder zur Mitwirkung an einer pornographischen Darbietung gegen eine unmündige Person, im Rahmen einer kriminellen Vereinigung, unter Anwendung schwerer Gewalt oder so begeht, dass durch die Tat das Leben der Person vorsätzlich oder grob fahrlässig (§ 6 Abs. 3) gefährdet wird oder die Tat einen besonders schweren Nachteil für die Person zur Folge hat.
Nötigung im Straßenverkehr:
Wann ist die Nötigung nicht strafbar?
Eine Nötigung ist dann nicht rechtswidrig, wenn die angewendete Gewalt oder Drohung sowie der angestrebte Zweck den guten Sitten nicht widersprechen. Es muss ein klarer sachlicher Zusammenhang zwischen dem eingesetzten Mittel und dem Ziel bestehen.
Erlaubte Drohungen:
- Drohung mit einer Klage oder Strafanzeige, wenn eine berechtigte Forderung (z. B. Schmerzensgeld) nicht erfüllt wird.
- Drohung, die Polizei zu alarmieren, wenn jemand den Zugang zu Ihrem Grundstück blockiert.
Unzulässige Drohungen:
- Drohung mit einer Anzeige beim Finanzamt, um unberechtigte Zahlungen zu erzwingen.
- Überzogene Forderungen, z. B. hohe Geldbeträge von einem Ladendieb zu verlangen, um von einer Anzeige abzusehen.
- Drohung mit der Veröffentlichung von Nacktfotos als Druckmittel, um weitere Aufnahmen zu erhalten.
- Erzwingen von Gefälligkeiten durch Androhung von Gewalt.
Geschlechtliche Nötigung:
Neben der allgemeinen Nötigung gibt es auch den Straftatbestand der geschlechtlichen Nötigung (§ 202 StGB). Dieser liegt vor, wenn eine Person mit Gewalt oder gefährlicher Drohung zu einer sexuellen Handlung (mit Ausnahme der Vergewaltigung) gezwungen wird. Die Strafen hierfür reichen von 6 Monaten bis 5 Jahren Freiheitsstrafe. Eine geschlechtliche Nötigung liegt beispielsweise vor, wenn der Täter das Opfer mit Gewalt oder Drohungen zu sexuellen Handlungen zwingt, die keinen Beischlaf darstellen. Darunter fallen Berührungen gegen den Willen des Opfers.
Fazit:
Die Nötigung ist ein Delikt, das schnell begangen werden kann – oft ohne dass den Tätern die strafrechtlichen Konsequenzen bewusst sind. Die Strafen reichen von Geldstrafen bis zu hohen Freiheitsstrafen, insbesondere bei schwerer Nötigung. Wichtig ist zu beachten, dass es sich um ein Vorsatzdelikt handelt: Eine Strafe erfolgt nur, wenn der Täter vorsätzlich handelt und sein Verhalten rechtswidrig ist.
Tipp: Machen Sie keine Aussagen bei der Polizei oder vor Gericht, ohne zuvor mit einem Rechtsanwalt gesprochen zu haben, um eine Selbstbelastung zu vermeiden.
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Dieser Artikel soll lediglich eine kurze Übersicht darstellen und ist ohne Gewähr. Sofern Sie weitere Fragen haben, können Sie mich gerne jederzeit während meinen Kanzleizeiten telefonisch kontaktieren.
Stand: Mai 2023
Mag. Sascha Flatz, Ihr Rechtsanwalt für Strafsachen in 1010 Wien.
- Mail: office@rechtsanwalt-flatz.at
- Tel: +43 1 402 6467
- Web: www.rechtsanwalt-flatz.at
Rechtsgrundlagen für die Strafen bei Nötigung:
§§ 105, 106 StGB und § 74 StGB, § 202 StGB